Der Alltag wird gut organisiert, doch das Beziehungsleben ist geprägt von Belanglosigkeiten, Unaufmerksamkeiten und Desinteresse? Das passiert vielen Paaren: „Wir leben wie Hänsel und Gretel, und mit meinem Bruder mag ich keinen Sex haben“, höre ich in meiner Praxis. Es fehlt an Spannung, Leidenschaft und zunehmend auch an Respekt. „Wir haben uns auseinandergelebt.“ lautet die häufigste Begründung von getrennten Langzeitpaaren. Wie kann das passieren, wenn man zusammenlebt, Bett und Tisch miteinander teilt? Es fehlt halt nicht die räumliche, sondern die emotionale Nähe. Gibt es ein Heilmittel dagegen?
Wenn ein Paar an diesem Punkt ist, gibt es eskalierenden Streit, oder gar keinen Streit mehr, oder noch schlimmer: es hat sich oft nichts mehr zu sagen. Streit bedeutet, dass man sich miteinander auseinander setzt, der Partner ist wichtig genug, die eigene Position zu vertreten. Doch Paare, die sich auseinandergelebt haben, setzten sich nicht mehr auseinander, sondern sie setzen sich voneinander innerlich ab. So entsteht der Zustand des „Sich-zu-zweit-alleine-fühlens“.
Hier geht es auch um vielleicht DAS zentrale Thema in Partnerschaften: Nähe und Distanz. In der Verliebtheitsphase fällt es beinahe allen Menschen leicht sich zu öffnen und Nähe zu leben. Durch die gefühlte gemeinsame „Wellenlänge“ fühlen wir uns verbunden und ermutigt, uns zu zeigen. Wenn die Dopamin-Dosierung nach den ersten Monaten nachlässt, erhalten Erfahrungen früherer Verletzungen in Beziehungen wieder mehr Gewicht. Diese aktivieren bewusste und unbewusste Schutzstrategien die dafür sorgen, dass wir in ähnlichen Situationen nicht ein weiteres mal verletzt werden. Ein heftiger Streit könnte zum Beispiel so eine Erfahrung sein. Niemand fasst mit voller Begeisterung ein zweites mal auf eine heiße Herdplatte. Hier braucht es viel Mut und Vertrauen in sich selbst, dass man notfalls auch erneut eine Verbrennung überstehen kann. Aber letztendlich kann nur mit Mut und dann neu entstehende, positiven Erfahrungen wieder Nähe geschaffen werden.
Nach einer jahrelangen Partnerschaft gehen viele davon aus, sich sehr gut zu kennen. Das macht die Partnerschaft schläfrig, wir schauen und hören nicht mehr genau hin. Das geht auf Kosten einer lebendigen Beziehung.
Lest hier eine Checkliste, ob eure Beziehung Gefahr läuft, sich auseinander zu leben.
- Kein Lob oder Anerkennung, keine Komplimente.
- Streit wird vermieden oder eskaliert schnell.
- Ihr sprecht nicht mehr über das, was euch wirklich bewegt.
- Sex und Zärtlichkeiten werden viel weniger und finden ohne große Verbundenheit statt.
- Es gibt kaum gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Alltags.
- Die Gegenwart des Partners langweilt dich, du haben keine Lust auf Gespräche.
- Du gehst lieber arbeiten als zu hause zu sein.
- Du fühlst Dich trotz Partnerschaft einsam.
- Du bist enttäuscht und hast eine große Wut auf Deinen Partner.
- Manipulation, Erpressung, Viele Vorwürfe.
Mache dich nicht verrückt, wenn du dich hier oder da wiederfinden solltest. Vielleicht kommt deine Beziehung in eine neue Phase, in welcher es darum geht den nächsten Schritt zu machen, z.B. den Aufbau gemeinsamer Werte.
Langeweile kann auch bedeuten, dass man in sich ruht und zufrieden ist mit dem, was da ist. Langeweile als Erfüllung: endlich Ruhe, kein Streit, endlich angekommen sein.
Sollten jedoch mehrere Aspekte auf Deine Beziehung zutreffen, könnte es eine gute Idee sein, aktiv zu werden. Je länger Du wartest, desto schwieriger könnte der Prozess einer Wiederannäherung werden.
Bei Enttäuschungen wurden früher Hoffnungen aufgegeben. Heute wird oft an den Hoffnungen festgehalten und die Partnerschaft aufgegeben. Wie wäre es wenn Du versuchen würdest, so viel Wünsche wie möglich in Deine bestehende Partnerschaft umsetzen zu können? Oft ist mehr möglich, als Du vermutest. Vielleicht ist ein Neustart die bessere Variante als eine Trennung, wenn keine irreparablen Verletzungen vorgefallen sind, sondern einfach die Verbindung verloren ging, was im Alltag leicht passieren kann.
Trennung und Scheidung gehören zu den schmerzvollsten Erfahrungen, die wir Menschen durchleben können.